München, BSB, Clm. 23715

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Beschreibung

 

GELLIUS. 

Pap. II, 170 Bl. 305×215. Norditalien (?, Pavia?), zweite Hälfte 15. Jh.

B: Die WZ wenig ausgeprägt und aufgrund der dicht beschriebenen Seiten kaum erkennbar (ein Abreiben war in der BSB nicht möglich): Ochsenkopf frei mit Oberzeichen Krone, in den Repertorien aufgrund der schlechten Erkennbarkeit nicht identifizierbar. Abweichend Ir: Dreiberg im Kreis mit einkonturigem, senkrechtem Kreuz auf einkonturiger Stange ohne weiteres Beizeichen, Grundlinie einfach, in den Repertorien nicht eindeutig identifizierbar (am ähnlichsten WZMA AT 5000-112_56: Oberitalien, 3. Viertel 15. Jh.). Lagen: III + 17.V170. Reklamanten am Lagenende unten rechts, meist durch mehr oder weniger vollständiges Rechteck eingerahmt, 50v irriger, erst zur folgenden Lage gehörender Reklamant durchgestrichen und durch richtigen ersetzt. I und II offenbar bei der Bindung hinzugefügtes Doppelblatt.

S: 195×130. Die senkrechten Begrenzungslinien blind bis zum Seitenrand durchgezogen. Blind-/Stiftlinierung. 44 Zeilen. Zwei Hände: Hand A (1r–167v oben): Semitextualis (die Anfänge von Textabschnitten durch eine Mischschrift aus Majuskeln und vergrößerten Minuskeln hervorgehoben); Hand B (167v–170r): Hybrida. Vereinzelte Marginalien von anderen, wenig späteren Händen.

A: Durchgehend der für Initialen freigelassene Raum nicht ausgefüllt.

E: Nur mehr teilweise erhaltener, über den Buchrücken bis etwa über ein Viertel des VD und HD gezogener Ledereinband mit Streicheisen-Linien (zwei untereinander angeordnete doppelt gezogene Rechtecke mit doppelt gezogenen Diagonalen) auf Holz. Drei Bünde, auf dem Buchrücken insgesamt 4 Titelschildchen, davon nur zwei zur Gänze erhalten, die beiden anderen zum Teil stark beschädigt und teils nicht mehr lesbar (ganz oben: …377 [?] Gellius manuscriptus emptus Viennae [?] 1499 [?]; darunter vorgedrucktes Schildchen Cod. lat. 23715 (die Zahl mit Tinte eingetragen); darunter: ZZ 715; darunter: …715 [?]). Lederreste der ehemals vorhandenen zwei Schließen sowie die Schließenbefestigung auf HD (rautenförmige Metallplättchen mit Agnus Dei und Buchstabe S) erhalten. Auf Innenseite VD eingeklebter Zettel (Anfang 20. Jh.?) mit Angabe der Buchanfänge. Auf oberem Buchschnitt Signatur 53, auf unterem Schnitt AVLV GEL (jeweils auf dem Kopf stehend).

G: Die Hs. wurde wie Clm. 23714 von Johannes Fuchsmagen 1499 in Wien erworben (167r: Emptus est hic liber a me Iohanne Fuchsmag doctore auf dem Tändelmarkt zu Wienn umb 18 kr. 3 d. die sancte Appollonie 1499) und befand sich 1620 im Besitz der Innsbrucker Franziskaner (1r: Pro conventu Fratrum Minorum de observantia ad sanctam Crucem Oeniponti 1620). Im April 1846 gelangte sie wie Clm 23714 über den Antiquariatshandel (vgl. BSB, Cbm Cat. 65a(6 p. 476 zur Hs. ZZ 715, freundlicher Hinweis Sabine Buttinger) in die Münchener Hofbibliothek. Ältere Signaturen: Innenseite VD links oben: Tintensignatur ZZ 715 (von Schmeller für „Codices ignotae/diversae originis“ vergebene ZZ-Signatur, freundlicher Hinweis Sabine Buttinger); Ir: rezente Bleistiftsignatur Cod. lat. 23715, vgl. auch E. 1r, 170v: Stempel BIBLIOTHECA REGIA MONACENSIS.

L: H. Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian. Graz, Köln 1959, 96 Anm. 23.

F. Cavazza, Un ‚nuovo Gellio‘: Il problema di una nuova edizione e la questione dei codices recentiores (e dei florilegia), in: Maia 51 (1999), 47–88, hier 82 (Sigle mL).

K. Halm, W. Meyer, Catalogus codicum latinorum bibliothecae regiae monacensis, secundum Andreae Schmelleri indices II/4: Codices num. 23406–27268 complectens. Monachii 1881, Nd. Wiesbaden 1969, 86 Nr. 874.

L. Holford-Strevens, Auli Gelli noctes Atticae [tom. prior, tom. posterior]. Oxonii 2020, lxiii (Praefatio; Sigle mL; nach Cavazza 82).

M. Pade, The reception of Plutarch’s lives in fifteenth-century Italy 1. Kopenhagen 2007, 71 Anm. 179.

S. Scipioni, I codici umanistici di Gellio (Filologia medievale e umanistica collana diretta da Rino Avesani e Silvia Rizzo 1). Roma 2003, 82 Nr. 50.

F. Simader, Bücher aus der mittelalterlichen Universität Wien und ihrem Umfeld. Wien ab 2007, Link:
https://webarchiv.onb.ac.at/web/20150803112715/http://www.onb.ac.at/sammlungen/hschrift/kataloge/universitaet/Register.htm (zuletzt aufgerufen am 15.07.2022).

(VD Innenseite) Tintensignatur, s. G.; eingeklebter Zettel mit Inhaltsangabe, s. E.

(Ir) Rezente Bleistiftsignatur, s. G; (von späteren Händen vermerkt): Aulus Gelius (rechts oben). A. Gellius manuscriptus (mittig oben).

(Iv–IIv) Leer.

(1r) Besitzvermerk, s. G; Bibliotheksstempel, s. G.

1: (1r–167v) Aulus Gellius: Noctes Atticae (Ed.: L. Holford-Strevens 1–684, mit unserer Hs., Sigle mL [nach Cavazza 82]).
(1r–13r) Erstes Buch; (13r–25r) Zweites Buch; (25r–33v) Drittes Buch; (33v–41v) Viertes Buch; (41v–49v) Fünftes Buch; (49v–56r) Siebentes Buch; (56r–66v) Sechstes Buch; (66v–73v) Neuntes Buch; (74r–84v) Zehntes Buch; (84v–91v) Elftes Buch; (91v–99v) Zwölftes Buch; (99v–112v) Dreizehntes Buch; (112v–119v) Vierzehntes Buch; (119v–128r) Fünfzehntes Buch; (128r–136r) Sechzehntes Buch; (136r–147v) Siebzehntes Buch; (147v–153r) Achtzehntes Buch; (153v–160v) Neunzehntes Buch; (160v–166r) Zwanzigstes Buch; (166r–167v) Praefatio.
Inc.: Tituli libri primi Auli Gellii nocti(-um durch andere Hand [?] verbessert) Actica(-rum durch andere Hand [?] verbessert) per ordinem. <Q>uali (Anfangsbuchstabe fehlend; Raum für Initiale nicht ausgefüllt) porporcione quibusque collectionibus Plutarchus…
Expl.: …quid quo in libro queri invenirique possit. / Explicit Aulius Gellius noctium Acticarum vir summe bonus in gestis, iocis, fabulis recensendis, disceptacionibus poetarum et oratorum confabulacionibus, faceciis. In verborum atque vocabulorum elegancia non minus quam ceteri peritissimus atque clarus habetur. Opera et diligencia Ludovici arcium doctoris atque legum scolaris. Papiensis (?). Vale.

Der Text unserer Hs. gehört der Hss.-Gruppe ς an, die in den jüngeren Editionen ausgehend von der Edition von Martin Hertz die Gruppe der im 15. Jahrhundert entstandenen jüngeren Hss. bezeichnet (zu den Gellius-Ausgaben s. die Auflistung bei Holford-Strevens lv–lvii). Charakteristisch für diese Hss.-Gruppe sind erstens die Vertauschung des sechsten und siebenten Buches, zweitens die Anführung der Kapitel des als verloren geltenden achten Buches (in unserer Hs. allerdings wie auch in einigen anderen Hss. der ς-Gruppe fehlend, die Zählung wird dabei aber nicht unterbrochen, sondern mit acht fortgesetzt), drittens die Nachstellung der Praefatio (in unserer Hs. als conclusio bezeichnet und mit dem ersten vollständig überlieferten Satz beginnend), viertens die Weiterführung des zwanzigsten Buches, fünftens eine von den Editionen teils abweichende Anführung der Inhaltszusammenfassungen der Buchkapitel (in unserer Hs. erfolgt diese nicht wie in der Edition am Anfang, sondern sowohl vor den jeweiligen Büchern als auch vor den einzelnen Buchkapiteln) sowie sechstens die zeitgenössischen Inhaltszusammenfassungen der Kapitel des neunzehnten Buches als Ersatz für verlorene Gellius-Ausführungen (zur Version unserer Hs. s. Holford-Strevens 51), vgl. hierzu Holford-Strevens xxviiif. Die griechischen Wörter fehlen in unserer Hs., der Raum für deren Einfügung ist aber freigelassen, s. hierzu Pade 71 Anm. 179. Der Vorname von Gellius lautet in unserer Hs. (wenn ausgeschrieben) Auleus bzw. Aulius.

(167r) Kaufvermerk Fuchsmagens, s. G.

2: (167v–170r) Publilius Syrus, Lucius Annaeus Seneca, alii: Proverbia (compilatio).
Tit.: Incipiunt proverbia Senece. Exstirpanda sunt vitia virtutis inserende.
Inc.: Avarum facile (es folgt gestrichen cogno) capies, ubi sis idem…
Expl.: …esto omnibus equus.

Die Zusammenstellung der Sprichwörter in unserer Hs. folgt bis zum Ende der Wiedergabe in alphabetischer Reihenfolge (170r) der Seneca-Ausgabe von Erasmus v. Rotterdam, vgl. hierzu Lucii Annei Senecae opera…per Desiderium Erasmum Roterodamum ex fide veterum codicum…. Adiecta sunt scholia Desiderii Erasmi Roterodami & beati Rhenani, illius in bonam partem operis, huius in ludum de morte Claudii Caesaris. Basileae 1537, 683–690 (u. ö.), allerdings ist sie unvollständig. Nach der Praefatio (s. Erasmus v. Rotterdam 683) stammt die Zusammenstellung aus einer sich zu diesem Zeitpunkt in Cambridge befindlichen Hs. von einem collector, der Erasmus v. Rotterdam unbekannt war. Die Überlieferung der Spruchverse wird zum einen Aulus Gellius und Macrobius Ambrosius Theodosius zugeschrieben, welche wiederum die Mimen Publius (gemeint ist wohl Publilius Syrus) und Decimus Laberius als Autoren nennen, und zum anderen Lucius Annaeus Seneca. Bis zum Vers Negandi causa… (169r) stimmt die Zusammenstellung unserer Hs. auch weitgehend mit der Collectio Senecae (Sigle Σ) in den Editionen zu Publilius Syrus von O. Friedrich, Publilii Syri Mimi sententiae. Accedunt Caecilii Balbi, Pseudo-Senecae, proverbiorum, falso inter Publilianas receptae sententiae et recognitae et numeris adstrictae. Berolini 1880, Nd. Hildesheim 1964, und W. Meyer, Publilii Syri sententiae, überein, allerdings ist die Zusammenstallung unserer Hs. auch hier unvollständig. Die von der Collectio Senecae nicht erfassten Sprichwörter werden zum Teil in Friedrichs Edition unter den drei Kapiteln Pseudo-Seneca. De moribus, Proverbia sowie Sententiae falso inter Publilianis receptae angeführt. Zum Vers locutum me aliquando penituit… (169r), der als einziger Spruchvers innerhalb der alphabetischen Reihenfolge weder von der Seneca-Ausgabe des Erasmus v. Rotterdam noch von den Editionen Friedrichs und Meyers angeführt wird, s. P. G. Schmidt (Ed.), Proverbia sententiaeque Latinitatis Medii ac Recentioris Aevi. Nova Series. Lateinische Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters und der frühen Neuzeit in alphabetischer Anordnung. Neue Reihe. Teil 8: H–O. Aus dem Nachlaß von H. Walther (Carmina Medii Aevi Posterioris Latina II/8). Göttingen 1983.
Die Spruchverse von qui psalmos resecat… bis …ut ante vox (eingefügt durch Verweiszeichen) ferialis (170r) finden sich bei H. Walther (Ed.), Proverbia sententiaeque Latinitatis Medii Eevi. Lateinische Sprichwörter des Mittelalters in alphabetischer Anordnung (Carmina Medii Aevi Posterioris Latina. Fünf Bände). Göttingen 1963–1967.
Das letzte Sprichwort ist bei F. Haase (Ed.), Senecas Liber de formula honestae vitae, in: Lucii Annaei Senecae opera, quae supersunt. Supplementum. Lipsiae 1902, 66–73, hier 71; es ist auch in anderen Hss. singulär überliefert, etwa in Lat. 3267 der Bibliothèque Nationale in Paris (54v) oder in der Hs. 327 der Stadtbibliothek Mainz (26v).

2.1: (167v–170r) Publilius Syrus et alii: Proverbia (Druck: Erasmus v. Rotterdam 683–690; u. ö.; Ed.: Friedrich 27–29, 31–36, 38–52, 54–60, 87–108, Textkonstituierung ohne unsere Hs.; Meyer 17–37, 39–44, Textkonstituierung ohne unsere Hs.; Schmidt 317 Nr. 932c., Textkonstituierung ohne unsere Hs.).
Inc.: Avarum facile (es folgt gestrichen cogno) capies, ubi sis idem…
Expl.: …ut non modo velit peccare.

2.2: (170r) Lucius Annaeus Seneca et alii: Proverbia.
Inc.: Qui psalmos resecat…
Expl.: …esto omnibus equus.

Proverbium (Ed.: Walther, Carmina II/4, 2, 250 Nr. 24574, ohne unsere Hs.).
Inc.: Qui psalmos resecat…
Expl.: …ac si sua ligua (sic!) taceret.

 In unserer Hs. sind nur die ersten beiden Verse wiedergegeben.

 Proverbium (Ed.: Walther, Carmina II/5, 695 Nr. 33259, ohne unsere Hs.).
Inc.: Vestis culta…
Expl.: …luxuriamque domant.

Die Verse weichen in unserer Hs. teils ab.

Proverbium (Ed.: Walther, Carmina II/3, 315 Nr. 17973, ohne unsere Hs.).
Inc.: Non locus est pacis
Expl.: …ligua loquacis.

In unserer Hs. ist nur der erste Vers wiedergegeben.

Proverbium (Ed.: Walter, Carmina II/5, 666 Nr. 33134, ohne unsere Hs.).
Inc.: Verborum lites…
Expl.: …carissime vites.

In unserer Hs. ist nur der erste Vers wiedergegeben.

Proverbium (Walther, Carmina II/4, 979 Nr. 29149, ohne unsere Hs.).
Inc.: Si mihi servire velis…
Expl.: …sophista, sacerdos.

Proverbium (Walther, Carmina II/1, 831 Nr. 6676, ohne unsere Hs.).
Inc.: Dum quid habere putor…
Expl.: …ut ante vox (eingefügt durch Verweiszeichen) ferialis.

Lucius Annaeus Seneca: Proverbium (Ed. Haase 71, ohne unsere Hs.).
Inc.: Cunctis esto benignus…
Expl.: …esto omnibus equus.

(170v) Bibliotheksstempel, s. G.

 

Raphael Steinbacher