Paris, BnF, Lat. 4807

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Beschreibung

 

SAMMELHANDSCHRIFT.

Perg. II, 64, II* Bl. 240×165/170. Freising, 2. Viertel 9. Jh.

B: Pergament von mäßiger Qualität mit einigen Löchern und starken Wasserschäden. Lagen: III + (III+1)7 + (IV-I)15 + (IV-I)23 + IV31 + IV39 + IV47 + IV55+ (IV+1-I)64 + III*. FHHF. I, II, I*, II* (nicht foliierte) Vor- und Nachsatzblätter aus Papier, das der Innenseite von VD und HD gegenüberliegende Blatt jeweils braun marmoriert. Zw. I und II ein unfoliierter Notizzettel aus dem Jahr 1865 (Schreiben von William Henry Black über die heute in der British Library liegenden Blätter der Hs.) eingebunden. Lagenzählung in römischen Zahlzeichen zwischen zwei Punkten auf der jeweils letzten Verso-Seite der Lagen (7v, 15v, 23v, 31v, 39v, 47v, 55v, nicht auf 64v), weitere, deutlich spätere Lagenzählung auf dem jeweils ersten Blatt der Lagen rechts unten beginnend auf 8r: b, c (16r), d (24r), e (32r), f (40r), g (48r), h (56r). Einzelblätter: 7 (?, wegen enger Bindung nicht eindeutig zu entscheiden); 61. Auf den Recto-Seiten rechts oben rezente Foliierung (folio 1 bis 11 in Rot, ab 12 mit Bleistift) 1–64, wobei die Blattnummer der fehlenden Blätter übersprungen und darauf bei der folgenden Foliierung verwiesen wird (auf 10: 9 abest; 15r: 14us abest, dazu Bleistiftnotiz am inneren Rand Duo, ut videtur, desunt paginæ; 21r: 19–20 desunt, dazu Bleistiftnotiz am inneren Rand: hic desunt, ut videtur, paginæ quatuor; 58r: 57 abest, dazu Bleistiftnotiz am inneren Rand: hic desunt paginæ duo; 64: nur am inneren Rand Bleistiftnotiz hic desunt paginæ duo). So erklärt sich die von der tatsächlichen Blattzahl abweichende Lagenformel. Eine ältere Foliierung (18. Jh.?), die sich links unterhalb der modernen befindet, beginnt auf neu 2r mit 1 (neu 1r wurde offenbar nachträglich auch mit der Zählung 1 versehen) und läuft zunächst bis 39 (neu 44r) und wird dann nochmals mit 39 (bis), dann wieder beginnend mit 30 (bis) fortgesetzt und läuft bis 46 (neu 64r).

S: Schriftraum 195/190×125/115. 24–25 Zeilen, teils in zwei (Breite 55), teils drei (Breite ca. 35) Spalten. Mit wenigen Ausnahmen (etwa 61v, 64r–64v: blinde Markierung des Schriftraums mit doppelter Seitenlinie außen, bis an den Rand gezogen, und blinder Linierung) keine Markierung des Schriftraums und keine Linierung, auch keine Einstichlöcher des Zirkels erkennbar. Hitto-Minuskel des ersten Drittels des 9. Jahrhunderts. In Capitalis rustica der Werktitel auf 1v, in Unziale die Kapitelüberschriften. Marginalien von Conrad Celtis.

A: Teils am linken Rand herausgerückte, ein- bis zweizeilige Initialen in roter Federzeichnung (1v), Tinte und in Orange. Die Kapitelüberschriften und einzelne Worte im Text des Öfteren in Orange, zum Teil später wegen des Wasserschadens nachgezogen.

E: Brauner Ledereinband aus der Zeit Louis-Philippes (1830–1848) auf Pappe mit restaurierter Oberfläche auf VD und HD (goldene Umrandung, an deren Innenseite Blindstempelverzierung in Form von Blättern; vergoldete ornamentale Verzierung an den Rändern der Innenseite von VD und HD. Anzahl der Bünde nicht erkennbar. Der Buchrücken durch vier jeweils goldene Linien in fünf Felder geteilt (weitere goldene Linien an den Kapitalen: oben 3, unten 1). In Feld 2 in Gold in Kapitalis AETHICI COSMOGRAPH. – ITINERARIUM ANTONINI. In den Feldern 1, 3 und 4 in Gold das Monogramm Louis-Philippes (freundlicher Hinweis Sébastien Barret) mit darüber platzierter Krone. Feld 5 überklebt mit Signaturenschildchen LATIN 4807. Innenseite VD und HD mit braun marmoriertem Papier überklebt.

G: Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen, 217; ders., Katalog der festländischen Handschriften, 102 Nr. 4335, weist die Hs. aufgrund der Hitto-Schrift dem Freisinger Skriptorium des ersten Drittels bzw. zweiten Viertels des 9. Jh. zu. Laut Vermerk auf 1r war die Hs. im Besitz von Konrad Celtis (dessen später teilweise ausradiertes Wappen sich über dem Vermerk befindet), der sie testamentarisch Johannes Fuchsmagen vermachte, von dem sie wiederum in die Bibliothek der Wiener Artistenfakultät gelangte: Hunc librum executores testamenti domini Conradi Celtis Iohanni Fuchsmag doctori dederunt, qui, (folgt gestrichen v [?]) cum vita functus fuerit, ad biliothecam (?; der Text ab hier offenbar radiert und zum Teil später nachgezogen, so dass nur mehr teilweise lesbar) facultatis arcium Wiennenis designavit (?). Wie die Hs. in die königliche Bibliothek nach Paris gelangte, wo sie spätestens 1622 nachweisbar ist (vgl. Omont 134; freundlicher Hinweis von Sébastian Barret), scheint nicht bekannt zu sein. Weitere ältere Signaturen: 2r oben mit schwarzer Tinte 1238 (1622), daneben mit brauner Tinte 5203 (1682). Innenseite VD rundes Signaturschildchen LAT. 4807. Auf 1r (und 64v) roter Stempel BIBLIOTHECÆ REGIÆ, rechts davon 4807, darüber gestrichen 4808.

L:  A. d’Avezac, Mémoire sur Éthicus et sur les ouvrages cosmographiques intitulés de ce nom, in: Mémoires présentés par divers savants étrangers à l’Académie des inscriptions et belles-lettres de l’institut national de France. Première série. Tom II (1852), 230–551, hier 294, 298f.

B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen). Teil III: Padua–Zwickau. Aus dem Nachlaß hg. v. B. Ebersberger. Wiesbaden 2014, 102 Nr. 4335.

Ders., Die südostdeutschen Schreibschulen und Bibliotheken in der Karolingerzeit. Teil II: Die vorwiegend österreichischen Diözesen. Wiesbaden 1980, 217.

O. Cuntz (Ed.), Itineraria Romana. Vol. prius: Itineraria Antonini Augusti et Burdigalense. Accedit tabula geographica. Editio stereotypa editionis primae (MXMXXIX), conspectum librorum recentiorum adiecit G. Wirth. Stuttgardiae 1990, IVf. (Praefatio).

N. Henkel, Die Bücher des Konrad Celtis, in: B. Guthmüller, W. Kühlmann (Hgg.), Bibliotheken und Bücher im Zeitalter der Renaissance (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung. Band 16). Wiesbaden 1997, 129–166, hier 150f.

J. W. Kubitschek, Zur Kritik des Itinerarium Antonini, in: Wiener Studien 13 (1891), 177–209, hier 179 Anm. 1, 180, 197–204, 209.

B. Löhberg, Das ‚Itinerarium provinciarum Antonini Augusti‘. Ein kaiserzeitliches Straßenverzeichnis des Römischen Reiches. Überlieferung, Strecken, Kommentare, Karten (2 Bände). Berlin 2006, 21 (Band 1; Praefatio).

G. M. Müller, Die ‚Germania generalis‘ des Conrad Celtis. Studien mit Edition, Übersetzung und Kommentar. Tübingen 2001, 309 Anm. 24.

T. Mommsen, Polemii Silvii laterculus, in: Ders. (Ed.), Chronica minora. Saec IV. V. VI. VII. Vol. I. Accedunt tabulae duae (MGH AA 9). Berolini 1892, 529 Anm. 2 (Praefatio).

H. Omont, Anciens inventaires et catalogues de la Bibliothèque nationale. Tome II: La bibliothèque royale à Paris au XVIIe siècle. Paris 1909, 134.

G. Parthey, M. Pindar, Itinerarium Antonini Augusti et Hierosolymitanum. Ex libris manu scriptis. Accedunt duae tabulae. Berolini 1848, XIII (Praefatio).

K. A. F. Pertz, De cosmographia: Ethici libri tres. Accedit tabula. Berolini 1853, 56f. (Sigle B.1), 62.

A. Riese (Ed.), Geographi Latini minores. Heilbronnae 1878, Nd. Hildesheim 1964, XLII (Praefatio).

F. Simader, Bücher aus der mittelalterlichen Universität Wien und ihrem Umfeld. Wien ab 2007, Link:
https://webarchiv.onb.ac.at/web/20150803112715/http://www.onb.ac.at/sammlungen/hschrift/kataloge/universitaet/Register.htm (zuletzt aufgerufen am 15.07.2022).

(VD Innenseite) Signaturschildchen, s. G.

(1r) Deutsch-lateinisches Itinerar (16. Jh.).
Tit.: Ad terram sanctam.
Inc.: Von Rom ad Vene<dig>: LXX myl<ia>.
Expl.: …in regno Noruebia (sic!). (neben dem Itinerar wohl von derselben Hand der Vermerk): Liber iste est, de quo in evangelio dicitur: Exit edictum a Cesare Augusto, ut describeretur universus orbis Romanus.

(1r) Wappen von Konrad Celtis (abgewaschen) s. G.; Vermerk Fuchsmagens, s. G.; Bibliotheksstempel, s. G.; Signaturen, s. G.

1: (1v–23r) Julius Honorius: Cosmographia, Paulus Orosius: Historia adversus paganos, liber I, capitulum II (Ed. Riese 71–103, Textkonstituierung ohne unsere Hs.).
Tit.: In nomine dei summi. Incipit cosmographia feliciter cum itinerariis suis et portibus et ex fastibus Romanorum et consulum nominibus et diversis, sine quo nemo prudentium esse potest.
Inc.: Lectionum pervigili cura conperimus senatum populumque Romanum totius mundi dominos, domitores urbis et praesules…
Expl.: <q>uae caput est urbis et domina senatus. Explicit feliciter descriptio totius orbis tripertiti.

Nach Pertz 57 und d’Avezac 298f. handelt es sich beim Text unserer Hs. um eine Abschrift des Wiener Cod. 181, bei der allerdings auf 2r die Stelle septimum et Agrippae a Didymo occidui pars dimensa est annis numero XXXI mensibus in diebus XII, sicut aperietur stilo. A consulatu item Iulii Caesaris et M. Antonii usque in cousulatum Augusti (= Riese 72 Z. 18–21) ausgefallen ist. Dagegen ordnet Kubitschek 197f. in Bezug auf diese fehlende Stelle unsere Hs. einer eigenen Hs.-Gruppe (Sigle ψ) zu, die allerdings zusammen mit dem Wiener Cod. 181 einen gemeinsamen Ursprung (Sigle ω) habe (s. dazu auch den Stammbaum bei Kubitschek 209 sowie die Ausführungen auf 192–194). Der Text unserer Hs. entspricht einerseits der Kosmographie von Julius Honorius, andererseits der Historia adversus paganos von Paulus Orosius, lib. I, cap. 2 (vgl. Riese XXVIf., 71). Teil I (2r–13v) ab itaque Julius Cesar folgt Honorius, der Beginn (1v–2r) sowie Teil II (15r–23r) folgen Orosius. Da das Folium 14 fehlt, fehlt auch in unserer Hs. der Übergang von Teil I auf Teil II. Die Folia 3–6 sowie 8 und 9 befinden sich als Ms. 268 Egerton in der British Library, s. hierzu Riese XLII; Cuntz IVf.; Bischof, Die südostdeutschen Schreibschulen, 217; zur Kurzbeschreibung auf der Homepage der British Library s. Julii Honorii Oratoris Cosmographiae fragmentum. – British Library (bl.uk) (zuletzt aufgerufen am 15.11.2022).

(2r) Tintensignaturen, s. G.

2: (23v–64r) Itinerarium Antonini (Ed.: Cuntz 1–85, mit unserer Hs., Sigle B).
(23v–60r) Itinerarium provinciarum; (60r–64r) Itinerarium maritimum.
Tit.: Incipit <it>enerr<arium> provinciarum Antoni Augusti. Provincie Affricae (Text durch Wasserschaden nur mehr zum Teil lesbar und wohl von späterer Hand nachgezogen).
Inc.: A Tingi Mauretanie, id est, ubi Baccauates et Macenites barbari morantur…
Expl.: …<supra> scripte insule in mari vacare solite erant. <Has A>pollo conligavit et stabiles fecit.

Genau wie bei der Kosmographie (s. o. Nr. 1), so steht auch bei diesem Text unserer Hs. die von Pertz 57 und d’Avezac 298f. vertretene Meinung, dass es sich um eine Abschrift des Wiener Cod. 181 handle, der Auffassung Kubitscheks 192–194, 197f., 209 gegenüber, der unsere Hs. zwar einer eigenen, vom Wiener Cod. 181 unabhängigen Hss.-Gruppe (Sigle ψ) zuordnet, aber in diesem sowie in unserer Hs. einen gemeinsamen Ursprung (Sigle ω) sieht (s. o. zu Nr. 1); Cuntz V folgt der Auffassung Kubitscheks (die Kritik Löhbergs 21 an den Auffassungen von Cuntz und Kubitschek ist wegen Unrichtigkeit zu vernachlässigen).

3: (64v) De montibus et nominibus aquarum urbis Romae (Ed: R. Valentini, G. Zucchetti, De montibus et aquis Urbis Romae, in: Dies. [Eds.], Codice topografico della città di Roma [Fonti per la storia d’Italia, publicate dal R. instituto storico Italiano per il Medio Evo. Scrittori secoli I–VI]. Roma 1940, 291–301, hier 294f., Textkonstituierung ohne unsere Hs.; Mommsen 545f., Textkonstituierung ohne unsere Hs.).
Tit.: Quas insulas quisque Rhomanus invenerat.
Inc.: Tarpeius, Esqu<i>linus, Palatinus…
Expl.: <Nymphae> Laurentes, <Nymphae> genus amnibus unde est.

In der Titelrubrik weicht der Text unserer Hs. von den Editionen ab.

(64v) Bibliotheksstempel, s. G.

 

Raphael Steinbacher